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echtfertigungen sind per se nichts Schlechtes. Wie viele Dinge im Leben haben sie auch ihre guten Seiten. Immerhin erklären wir damit einer anderen Person, warum wir uns wie verhalten haben und weshalb uns aufgrund dieses Verhaltens nichts vorzuwerfen sei. Doch die Übergänge von Erklärung bis zu recht haben müssen sind fließend. Aus einem falschen Verständnis für Schuld rechtfertigen sich einige Menschen zu häufig und unbegründet, was zum Unglücklichsein direkt beiträgt. Stetig liegt ein subtiles Schuldbewusstsein auf ihren Schultern und zieht sie unbewusst herunter, obgleich dieses eigentlich unnötig wäre.

Es ist daher an der Zeit, sich das Rechtfertigen für bestimmte Dinge abzugewöhnen.

Nicht falsch verstehen: Hast du einen Fehler begangen, solltest du dich entschuldigen und dein Verhalten erklären. Tappe aber nicht in die Unglücksfalle, dich für Unnötiges zu rechtfertigen.

Wieso wir uns für Unnötiges rechtfertigen

Viele Kinder haben Angst, ihre Eltern, Lehrer oder Mitschüler zu enttäuschen. Sie wollen es allen recht machen und keinen Konflikt eingehen. Dahinter verbirgt sich eine tiefe Unsicherheit und ein starker Drang zur Harmonie. Diese tiefen Emotionen tragen einige von uns auch noch im Erwachsenenalter mit sich herum. Manche machen sie sich bewusst und können deshalb rationaler damit umgehen. Andere hingegen lassen sich stark von diesen Gefühlen leiten, weswegen sie sich kontinuierlich entschuldigen und rechtfertigen – für alles und jeden. Sie möchte niemanden enttäuschen oder verletzen.

Jetzt gäbe es den Einwand, dass das doch eine höfliche, ehrenvolle und freundliche Verhaltensweise ist.

Es ist sicherlich nicht schlecht, auch Ursachen bei sich zu suchen und sich zu hinterfragen. Doch alles muss in gesunden Maßen erfolgen.

Wer sich mit einer tiefen Unsicherheit herumschleppt und dies unter anderem durch ein häufiges Rechtfertigen für Unnötiges ausdrückt, kann nie wirklich frei und glücklich sein. Das dumpfe, nagende Gefühl der Schuld legt das Herz in Ketten und macht es unfrei.

Was soll man also machen? Die gute Nachricht vorweg: Gehörst du zu diesem Kreis, dann sei dir gesagt, dass du deine steten Schuldgefühle ablegen kannst. Sie behindern nicht nur dich, sondern stören sogar deine Mitmenschen. Sie nerven auf Dauer sogar. Die schlechte Nachricht ist: Die dunklen, traurige Seiten in uns, die wir seit unserer Kindheit in uns verbergen, lassen sich nur schwer vertreiben. Schwer bedeutet aber nicht, dass es gar nicht geht. Du kannst dich ändern. Fang heute damit an, indem du dich selbst befreist und dich für einige Umstände in deinem Leben nicht mehr rechtfertigst. Das bringt dich dem Glücklichsein ein gutes Stück näher.

Stopp: dafür rechtfertigst du dich nicht mehr

  1. Ich habe heute keine Zeit! Freunde, Kollegen, Familie. Irgendjemand zerrt immer an dir und funkt dir bei deinen privaten Plänen dazwischen. Manchmal willst du vielleicht einfach nur Zeit für dich haben und dich erholen. Das ist dein gutes Recht und genau das darfst du vertrauten Personen auch sagen. Du wirst sehen, dass sie das problemlos akzeptieren. Warum? Weil es ihnen auch hin und wieder so ergeht. Für sie kann deine Aussage – und nicht Ausrede – sogar eine Erleichterung sein. Sie wissen, dass du ehrlich zu ihnen bist und dass sie auch in diesem Punkt zu dir ehrlich sein können. Letztlich ist es dein Leben und deine Zeit. Was du mit ihr machst, ist deine Verantwortung.
  2. Ich hab' schlechte Laune! Es gibt Tage, an denen wir uns nicht gut fühlen. Wir sind mit dem falschen Bein aufgestanden und nichts funktioniert so richtig. Das geht jedem so. Auch der ausgeglichenste Mensch hat mal einen schlechten Tag und dementsprechend eine üble Laune. Was nun? Manchmal ist es am besten, die schlechte Laune einfach hinzunehmen. Sag ruhig zu deinem Partner „Heute bin ich schlecht gelaunt, weswegen ich Zeit für mich brauche“, aber lass nicht an ihm die Laune aus. Nimm dir ein wenig Ruhe, reflektiere die Situation und lamentiere nicht lange herum.
  3. Fehler und Missgeschicke: Kein Mensch ist perfekt. Wir machen alle einmal Mist oder liegen falsch. Wichtig ist, sich für die Fehler und Missgeschicke zu entschuldigen, aber sich nicht daran aufzureiben. Es bringt niemanden etwas, wenn du dich in Rechtfertigungen aufgrund eines Fehlers verstrickst. Entschuldige dich dafür und stehe zum Fehler. Beim nächsten Mal machst du es besser. Dieses Vertrauen hast du verdient und solltest es auch in dich selbst haben.
  4. Ich bin nicht erreichbar! Die Zeit der Digitalisierung steht für die Zeit der Omnipräsenz. Das kann sehr stressig sein, denn manchmal brauchst du Ruhe und suchst sie auch. Schalte bewusst dein Smartphone aus und entspanne dich. Wenn du es wieder anmachst, dann musst du dich nicht dafür rechtfertigen, dass du mal eben nicht online warst. Es ist dein Recht, offline zu sein.
  5. Ich habe meine Meinung geändert! Hand aufs Herz. Wie häufig hast du in deinem Leben bisher deine Meinung geändert? Gerade in jungen Jahren kommt das häufig vor. Mit zehn Jahren hattest du einen anderen Blick auf Dinge und Sachverhalte als mit 20 oder 30 Jahren. Das ist gut so, denn Meinungen bilden sich aus Erfahrungen und Wissen. Als Kind nehmen wir die Welt weniger differenziert als Erwachsener wahr. Hast du mit 16 Jahren noch gepredigt, niemals Urlaub in einem All-inklusive-Hotel zu verbringen, siehst du das mit 36 Jahren und einem stressigen Job plus drei kleinen Kindern vielleicht anders. Du musst dich für deine Meinungsänderung auch vor niemanden rechtfertigen. Es ist gesund und richtig, sich weiterzuentwickeln.

Die Grauzonen erkennen

Wie du siehst, richtet sich dieser Text an Menschen, die ihrem Glück entgegenstehen, weil sie sich zu viel rechtfertigen und sich für alles entschuldigen. Natürlich gibt es auch das Gegenteil: Menschen, die Fehler nicht eingestehen wollen und nie die Schuld bei sich selbst suchen. Beide Extreme sind ungesund für dein persönliches Glück. Versuche daher, deine Wahrnehmung zu schulen. Hinterfrage dich, warum du dich rechtfertigen willst und ob du tatsächlich einen Fehler begangen hast.

Wie anfangs erwähnt, gibt es natürlich auch bei den Rechtfertigungen eine Grauzone. Sich nicht mehr für alles zu entschuldigen und erklären zu müssen, heißt nicht, zu einem kalten, rücksichtslosen Egoisten zu werden. Wie so häufig ist es auch hierbei wichtig, eine gesunde Balance zu finden.

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Photo by Julien L on Unsplash

Publiziert am 
Dec 17, 2021
 in Katgorie
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