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aschentücher raus und die Tränen fließen lassen: Das kann die Seele reinigen und damit letztlich glücklicher machen. Weinen ist nämlich eine natürliche Reaktion des Körpers und der Psyche auf emotionale oder physische Schmerzen, Trauer, Freude, Frustration oder andere starke Gefühle. Es ist ein Ausdruck von Emotionen. Wann ist es gut zu weinen und wann ist es eher kontraproduktiv?

Was weinen ist?

Es gibt Momente, da muss alles raus. Die Emotionen – oder die Hormone - überrollen dich. Deine Tränendrüsen oberhalb der äußeren Ecke deiner Augen produzieren Tränen. Mal kullern nur zwei, drei Tränen hinab, mal folgt ein lautes Schluchzen inklusive Kurzatmung. Gründe für traurige Tränen gibt es viele: Verzweiflung, Tod eines Angehörigen und Angst. Häufig verbergen sich dahinter keine großen Schicksalsschläge, sondern eher „Alltagsleiden“, wie eine niederländische Umfrage der Universität Tilburg ergab. Hierbei zeigt sich ein Geschlechterunterschied.

Männer weinen vor allem aus Mitgefühl und den Verlust ihrer großen Liebe. Bei Frauen fließen die Tränen, wenn sie vor großen Konflikten stehen, unangenehme Augenblicke der Vergangenheit hochkommen oder das Gefühl der Unzulänglichkeit sich breit macht.

Wieso hilft das Weinen manchmal?

Du steckst mitten im Stress: Dein jüngstes Kind hat Grippe, dein Chef ist mit deiner Arbeitsleistung unzufrieden und der Nachbarshund bellt nachts so häufig, dass du kaum schlafen kannst. Als dann noch die Handwerker die teure Badezimmerrenovierung vermasseln, liegen deine Nerven blank. Du gehst ins Schlafzimmer, ziehst die Tür zu und weinst. Nach ein paar Minuten wischst du dir die Tränen weg, rückst deine imaginäre Krone zurecht und setzt mit neuer Kraft den Alltag fort. Was ist passiert? Wieso haben die Tränen geholfen?

  • Stressabbau: Weinen kann dazu beitragen, Stress abzubauen und Spannungen zu lösen. Indem du deinen Emotionen Ausdruck verleihst, kannst du negative Gefühle regulieren. Einige Studien weisen darauf hin, dass nach den Tränen weniger Stresshormone durch den Körper schießen.
  • Emotionale Befreiung: Das Weinen kann eine Art Ventil für Emotionen sein. Es ermöglicht dir, Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten. Nach dem Weinen fühlst du dich erleichtert, befreit oder erneuert.
  • Klärung von Gedanken und Problemen: Weinen kann dazu beitragen, den Geist zu klären und Klarheit in schwierigen Situationen oder bei emotionalen Herausforderungen zu finden. Durch das Weinen erhältst du einen klaren Blick auf deine Gedanken und Gefühle.
Wichtig ist hierbei, dass das Weinen nicht zu lange dauert und du nicht über Stunden hinweg allein in deinem Zimmer hockst. Passiert dies, kann sich Weinen als sehr kontraproduktiv erweisen und deine Stimmung deutlich verschlechtern.

Übrigens: Die reinigende Funktion der Tränen ist nur auf die Psyche bezogen. Es gibt nämlich keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Weinen den Körper von giftigen Stoffen befreien kann. Tränen bestehen hauptsächlich aus Wasser, Elektrolyten und einigen Proteinen, die für die Befeuchtung und den Schutz der Augen wichtig sind. Tränenflüssigkeit kann lediglich dazu dienen, Fremdkörper aus dem Auge zu spülen.

Weinen als Kommunikationsmittel

Wie bereits erwähnt, kann das Weinen einen reinigenden Effekt haben, was die Wissenschaftler auch gern als Katharsis beschreiben. Es würde der Erholung und damit der „psychologischen Homöostase“ helfen. Hiermit ist gemeint, dass der Mensch das Bestreben hat, ein Gleichgewicht oder eine Balance in seinem psychischen Zustand aufrechtzuerhalten. Es beinhaltet den Versuch, innere Stabilität und Wohlbefinden zu erreichen, indem sich anpassenden Mechanismen wie dem Weinen bedient wird, um auf Stress, Emotionen und andere Herausforderungen zu reagieren.

Allerdings sehen einige Wissenschaftler in den traurigen Tränen noch eine andere Funktion. Tun wir es vor anderen, sei es auch ein Kommunikationsmittel. Das Weinen signalisiert dem Gegenüber, dass die andere Person Schmerz oder Angst hat und sich hilflos fühlt.

Mitgefühl und Empathie kann dies auslösen, wodurch der Weinende Unterstützung erhält. An sich ist dies nicht Schlechtes, sofern die Tränen echt sind. Ein leichtfertiger oder gar missbräuchlicher Einsatz vom Weinen ist jedoch verwerflich. Das ist nichts anderes als Manipulation.

Weinen vor anderen: Zeichen von Schwäche oder Stärke?

Die Wahrnehmung von Weinen als Zeichen von Schwäche oder Stärke kann kulturell und gesellschaftlich unterschiedlich sein. In einigen Kulturen oder Gesellschaften wird Weinen als Ausdruck von Verletzlichkeit und emotionaler Offenheit betrachtet, während es in anderen Kulturen möglicherweise als Zeichen von Schwäche oder mangelnder Kontrolle angesehen wird. Die Akzeptanz der Tränen hängt zudem stark vom Geschlecht und dem Grund für das Weinen ab.

Und was bedeutet dies für dich? Es gibt sicherlich Situationen, in denen möchtest du keine Tränen zeigen, um nicht als Heulboje bezeichnet zu werden. Vielleicht würde sich der andere auch über deine Verletzlichkeit freuen oder deinen „schwachen“ Moment ausnutzen, weswegen du vor ihm nicht weinen möchtest. Manchmal werden Tränen unterdrückt, um den anderen – vor allem Kinder – nicht zu beunruhigen. Weinen ist per se kein Zeichen von Schwäche. Es kann jedoch durchaus Sinn machen, das Weinen in Gegenwart anderer zu unterdrücken. Mache es von der Situation und demnach von dem Grund zu weinen und den anwesenden Personen abhängig.

Heulen aus Selbstmitgefühl – nicht aus übertriebenem Selbstmitleid

Kennst du diese Menschen, die im Selbstmitleid versinken und ständig vor anderen jammern? Wer ein übertriebenes Maß an Selbstmitleid zeigt, wirkt auf andere nicht nur unsympathisch, sondern steht auch seinem eigenen Glück im Weg.

„Selbstmitleid ist mit Abstand das schädlichste nicht pharmazeutische Betäubungsmittel; es macht süchtig, beschert kurzzeitig eine Art Wohlgefühl und isoliert sein Opfer von der Wirklichkeit.“ - (John W. Gardner)

Wie das Wort Selbstmitleid bereits deutlich ausdrückt, bemitleiden wir uns selbst. Das ist nicht grundlegend falsch, sondern kann ein Zeichen von gesunder Selbstliebe sein. Wichtig ist allerdings, in diesem Gefühl nicht zu versinken. Wer sich fortlaufend selbst bedauert, vergiftet sein eigenes Gefühlsleben. Und das kann in Depressionen, Einsamkeit, Wut und Angstzuständen enden.

Besser ist es, Selbstmitgefühl zu haben. Dies ermöglicht, mit seinen Fehlern und Schwächen verständnisvoll und produktiv umzugehen. Um den Unterschied zum Selbstmitleid noch klarer darzustellen: Hast du Selbstmitgefühl, bringst du Verständnis für deine Situation auf und suchst nach einer Lösung dafür. Damit ist es eine Form der Selbstliebe, die Trost stiftet. Heulst du aus Selbstmitleid, fragst du dich primär, womit du eine Ungerechtigkeit verdient hast. Der Schritt hin zur Lösung erfolgt allerdings nicht.

Zum Glücklichsein gehört Weinen im gesunden Maße

Niemand kann immer glücklich sein. Zum Leben gehört Traurigkeit, denn es gibt bekanntlich kein Licht ohne Schatten. Deine Tränen sind somit nichts Schlechtes. Wenn sie fließen, um Stress abzubauen, deine Emotionen zu kanalisieren und dir über ein Problem Klarheit zu verschaffen, sind sie äußerst sinnvoll. Weinen aus Trauer kann beim Loslassen helfen und den Abschied erleichtern. Anders sieht es jedoch mit dem heftigen Schluchzen aus, welches nicht aufhören will und dich fast schon ohnmächtig werden lässt.

Es ersetzt Gefühle wie Wut und Zorn.

Dein Zustand wird sich dadurch nicht verbessern. Das bedeutet allerdings nicht, diese Form des Heulens zu unterdrücken.

Nein, es geht vielmehr darum, sie gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dies gelingt dir aber nur, wenn du von ganzem Herzen begreifst, wie wunderbar du bist und dass nur du dich glücklich machen kannst. Klingt dies wie ein Kalenderspruch? Ja, irgendwie schon, aber er stimmt und ist trotzdem schwer zu beherzigen.

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Photo by Tom Caillarec on Unsplash

Publiziert am 
Jul 28, 2023
 in Katgorie
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